"Nahezu lautlos, doch um nichts weniger real, findet derzeit ein Prozess der Lebensvernichtung statt, wie er in der Geschichte der Menschheit ohne Beispiel ist." liest sich der erste Satz ihres Buches. Die Rote Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN), die im Sommer 2022 veröffentlicht wurde, gibt an, dass 28% der ungefähr 147000 erfassten Arten vom Aussterben bedroht sind. Ich habe in meinem Bekanntenkreis herumgefragt: Insektensterben haben die meisten schon gehört. Auch die rote Liste ist bekannt. Aber dass der Verlust der Biodiversität so gravierend ist, dass in einer unvorhersehbaren Kettenreaktion auch unsere Nahrungskette in Gefahr geraten könnte, ist wenig bekannt.
Warum wissen so wenige Menschen von der Katastrophe des aktuellen Artensterbens oder warum ignorieren wir Menschen das Problem, obwohl diese Ignoranz für das Fortbestehen der Menschheit möglicherweise gefährlich ist?
- Im Gegensatz zur Erderhitzung mit ihren spürbaren und zum Teil lebensgefährlichen Extremwetter-Ereignissen lässt sich der Verlust von Biodiversität nicht direkt wahrnehmen (deshalb ja auch die Bezeichnung "lautloser Tod"). Um beispielsweise den dramatischen Rückgang unserer Großschmetterlinge bemerken zu können, muss man wenigstens 40 Jahre lang gelebt und ziemlich gute Artenkenntnisse haben. Erschwerend kommt hinzu, dass der eigene Anteil am Arten- und Individuensterben nur schwer fassbar ist. Er besteht oft nur indirekt, etwa über unsere Ernährungsweise oder das Mobilitätsverhalten, und der negative Effekt ergibt sich erst in der Summe zahlreicher Einzelhandlungen viele Jahre später. So ist es für das Individuum ein Leichtes, die eigene Mitverantwortung für das Artensterben zu verdrängen oder gar zu leugnen.